Werner Pentz - liebesgeschichten


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Impressum

„Liebesgeschichten“/Kürzestgeschichten 1990

In dem 60 Seiten umfassenden Buch sind Kürzestgeschichten rund um die Liebe enthalten: poetisch, pointiert und universell.

Ein Teil dieser Kürzestgeschichten finden Sie ins Englische als Short-Stories übersetzt unter


Deutsch-Englische Kürzestgeschichten/Short-Stories

Abschied  text-underline:none'>PAGEREF _Toc6713594 \h

Die Christin text-underline:none'>PAGEREF _Toc6713595 \h

Ich Schafologe 5

Sanfte Querulantin 7

Am Dienstag hätte ich Zeit gehabt 9

Bäuerliche Liebesromanze um 1900_ 10

Der Kuss des Lebens 12

Schachmatt des Lebens 13

 

 

Abschied

 
Der Sommer kommt wieder. In den Nächten des Winters lag ich bei einer. Bald wird all dies Vergangenheit gewesen sein. Das Land wird sich dehnen und sich zum Spazierengehen anbieten. Ich werde fortziehen.

Die Landschaft hat Stoppeln; es ist ein rauhes Land. Ich werde nicht darüber stolpern, sondern hinweg schreiten. Eine Ziege wird frei herumlaufen. Ich werde sie streicheln. Dann werde ich sie  verlassen. Sie wird es mir danken.

Der Dunst des Klimas wird meinen Atem stocken lassen. Wie wohltuend! Damit werde ich Augenblicke lang mit dem Denken aussetzen. Die Sonne wird einsam am Firmament scheinen  lange, sehr lange. Sie wird die Farbe wechseln: Weiß, orange und blutrot. Ich werde mich mit ihr verändern. Es wird keine lange Zeit dauern, bestimmt nicht sehr lange. Denn schau: Die Sonne hat sich schon geneigt.

(In der Kälte saßen wir im Haus. Die Sandsteine schienen zu bersten. Schneeblumen bildeten sich. Hier, wo ich lag, war es etwas warm. Die dicke, erdrückende Federdecke schützte!)

 

 

Die Christin

Da lag ich, einen Stockwerk höher: Sie und ihr Freund. Obwohl wir voneinander getrennt waren, lagen wir in Wahrheit beisammen.

Am Morgen sagte sie richtig: "Körperlich lagen ich zwar neben ihm (= meinem Freund). Mit meiner Seele jedoch war ich bei dir."

 

Das befriedigte mich jedoch nicht ganz.

Ich unterzog sie der Prüfung.

Der Körper spielte natürlich für eine Christin keine Rolle. Hatte sie nun aber eine Seele?

So wollte ich nach ihrer Seele forschen, dem wichtigsten Teil des Menschen für eine religiöse Person wie sie.

Als nächstes wollte ich schließlich in Erfahrung bringen, ob sie denn auch eine schöne Seele habe.

Wie ich nun dies anstellen wollte war mir völlig rätselhaft. Sollte sie aber jedoch überhaupt keine besitzen, erübrigte sich ja der zweite Versuch. Aber zunächst einmal Schritt für Schritt.

 

Wir befanden uns gerade inmitten eines Popfestivals. Die Stimmung war derart entspannt, dass sie bald, was sie sich so sehr wünschte, aus sich herausging und tanzte. Doch da war noch ein Gitter vor ihr, denn sie flüchtete immer wieder, sich in meine Arme und an meine Brust werfend, zu mir her.

Die Seele musste also noch da drinnen stecken!

Immerhin küsste sie mich selbstvergessen, ja, sie machte sogar ein zweites Mal einen Tanzschritt von allein, flüchtete sich aber sofort wieder zu mir zurück.

In diesem Moment, wo sie auf mich zugelaufen kam, bat ich sie liebevoll und unsatanisch: "Setz dich doch auf meinen Schoß.

Stattdessen versteckte sie sich wieder an meiner Brust. und ich streichelte sie über ihren Burschenschopf.

Sie schaute von unten herauf mit einem schurkischen Blick her und antwortete unschön und seelenlos: "Nicht, solange dies Freunde von ihm (der Verfasser = dem Freund) sehen könnten!"

Ich ärgerte mich über meine Unaufmerksamkeit, denn ich musste den Zeitpunkt verpasst haben, als die Seele entwichen war.

 

Ich Schafologe

 
Meine Mutter und sie musste es schließlich gewußt haben, hatte mich ja immer schon vor Mädchen gewarnt.

In den letzten Jahren hatte ich zwar vermehrt Kontakt zu ihnen. Aber in jüngster Zeit verschwanden sie auch wieder so schnell wie sie kamen. Mir verwirrte sich bei diesem Wech­selspiel ganz der Sinn.

Besonders interessant war es freilich, traf man erneut mit ihr zusammen. Ich kann es mir zwar nicht erklären, weswegen ich derjenige war, der sitzengelassen worden war, aber ich zeigte arge Liebesmühe, etwas von der ehemaligen Zuneigung zu erhaschen. So entblödete ich mich sogar nicht, der Art eines Kavaliers gemäß, zu schwören, ihr es zu verzeihen, dass sie aufgehört hatte, mich am meisten auf der Welt zu lieben.

Sie rezitierte ein Gedicht: "Es ist nicht mehr diese in dir gesenkte Schwere."

"Handelt es sich um einen Mann? Um mich vielleicht?"

"Es ist ein anderer."

"Wer? Sag es schon!"

"Vielleicht nennst auch du mich einmal so... Du Schafskopf, das ist ein Gedicht von mir!"

"Oh! Daran hatte ich allerdings nicht gedacht."

Ansonsten aber weckte ich vorerst einmal Schuldgefühle. Beispielsweise behauptete ich dreist, sie liebe mich nur noch mit halben Herzen.

"Ach, Schaf!", enteilte meiner Verflossenen ein tiefer Seufzer.

"Am liebsten wäre mir natürlich, könnte ich euch beide lieben, wobei mir aber keiner fremdgehen dürfte", sprach sie weiter. Während sie darauf ganz offen die Treulosigkeit ihres Derzeitigen beklagte, schürte unsereins frech das Feuer, indem ich zum Vergleich meine Person als die Bessere hinstellte.

"Aber du bist mein treuestes und bravstes Schaf" gab sie mir Recht.

"Gell, und wie brav!"

"Ja, so brav, dass du es allen zeigen könntest."

"Du meinst, ich könnte glatt meine Bravheit weitervermitteln, am Ende einen Lehrstuhl für Schafologie besetzen."

"Oh ja, dann fragst du die Leute, sitzen sie alle vor dir: Wer will auch so ein großes Schaf werden wie ich?"

 

Sanfte Querulantin

 
Da man nicht nichts tun konnte, studierte sie.

So kam sie aus weiter Ferne in diese teils mittelalterliche, größtenteils schon indu­strialisierte Universitätsstadt.

Gleich am nächsten Morgen schnitt sie sich mit einem rostigen Messer.

Sie präsentierte die Wunde einem Kommilitonen.

Sie benötige unbedingt eine Tetanusspritze, geriet der Bekannte in Panik.

Doch niemand kannte einen empfehlenswerten Arzt.

Da gerade ein Dozent vorbeikam und dieser nicht einer unter den vielen Nichteinheimischen hier war und sich ihm getrost anvertrauen konnte, fragte Ottilie ihn. Der Philosophieprofessor, offenbar seiner Kompetenz missachtet sehend, so dass er auf der Stelle kehrt machte, brüllte noch: "Also, dieses  Ansinnen hat noch keiner an mich herangetragen!"

 

*

 

Es ist wieder früh, an einem Sonntag später im September. Sie hat so tief geschlafen, dass sie ihre Wunde vergessen hat und wird vom schrillen Gekrächze  der vom Wind bewegten Fensterläden des alten Studentenwohnheims aufgeweckt. Ins Bad scheint die Sonne blendend hell, draußen rascheln noch grüne Blätter von einem kühlen Luftzug bewegt  und kaltes Wasser auf ihre Haut geschreckt, laßt sie fast zu vollem Bewußtsein gelangen.

Der von hier aus sichtbare Fluß scheint still zu  stehen. Die Umwelt steht darin Kopf. Die Wasseroberfläche ist noch von brennenden Laternen beleuchtet: Grüne, gelbe und weiße Abziehbilder kräuseln sich  darauf. Auf der Uferpromenade ruft im Gleichschritt  ein Liebespärchen und freut sich über das Nieselwetter. Es skandiert von Ottilie aus unverständ­lich klingende Reime.

Ottilie geht an diesem noch einmal warmen Mitteseptembertag mit ihrer Freundin flanieren. Es bleibt ein schöner, sonniger Tag; befreiend, spazieren zu gehen entlang des verseuchten deutschen Rheins; anregend in der Fußgängerzone dazusitzen, um den vielen fremdländisch und luftig angezogenen Mädchen und Jungen mit dem Blick zu folgen; aber beklemmend und beflügelnd zugleich auf den Fernsehturm hinaufzufahren, von wo aus ihr das ganze von Gestank, Lärm und Smog wimmelnde, stinkende und flimmernde Ballungszentrum zu Füßen liegt.

Sie kommt gerade nach Hause. Ist mit einem alten Schinken von Mofa von der Freundin heimgekleppert. Fühlt sich pudelwohl, war doch der Abend wie aus der Reihe getanzt. Er war wie selten einer in ihrem Leben: Einmal voll philosophisch, dann kindlich, das andere Mal vernünftig.

Es lag etwas Verheißungsvolles in der Luft...

Da sieht sie ihn dort an der Hauswand stehen, die Zigarette nur halb rauchend, sich über den Gulli beugen, um die Glut am Gußeisen abzustoßen und in die Jacke zu stecken. Ein Neuer! Er erzählt frei heraus, in der Silvesternacht Tagebuch mit philosophischen Gedanken zu verfassen. So etwas wie ein sanfter Querulant inmitten der öden Zweck-Mittel-Rationalisierungsumwelt. Dies war auch so ein Spruch von ihm: "Die Studenten heutzutage können nicht mehr aufeinander zugehen!", sprach’s und ging einfach zu einer fremden Person hinüber.

Aber sie, sie konnte noch ihre Liebe zeigen.

So war es wieder einmal so weit.

Migno, wie er sie nannte, offenbarte ihm gleich am nächsten Mittag ihre Liebe. Sie merkte daraufhin sofort, dass alles schon zusammenbrach. Während sie sich krampfhaft am Stuhl festhielt, schwanden nämlich ihre Gefühle mit seinen Worten. "Ich dich auch!" erwiderte er nüchtern und schlägt zunächst einmal vor: "Kochen wir uns doch Eintopf" 

Sie musste darauf ohne jeglichen Ernst den­ken: `Du bist auch nicht das GELBE VOM EI!'

Es ärgerte sie doch, dass sie stets in entscheidenden Augenblicken ihres Lebens unernst blieb.

Sie drängte in ihn! War da noch eine andere? Da er sich nur kurz angebunden äußerte, wollte sie es jetzt nämlich zum Trotz genau wissen.

Einen Tag darauf bekam sie endlich einen Brief. Sie sei zu wenig weiblich, war das bündige Fazit. Dazu hatte er eine andere Frau recht unhöflich  mit ihr verglichen.

Doch sie wollte noch nicht aufgeben, gerade wegen der Extracoolness dieses Typen.

Eines Abends pflanzte sie sich aus dem Dun­keln des Zimmers vor dem am Schreibtisch Büffelnden auf und verkündete: "Ich gebe mich nicht geschlagen, bis ich  mich nicht auseinandergesetzt habe!" und überreichte ihm einen langen Brief.

Daraufhin verschwand sie schnell wieder im Zimmer  zwei Stockwerke darüber.

Am Abend davor hatte sie so laut, dass es bis zum ihm gedrungen war, die ganze Gasse mit Lärm erfüllend, an der Schreibmaschine herumgeklopft.

Jetzt wusste er, warum.

Im Brief machte sie ihm Komplimente wegen seines beeindruckenden federnden, zugleich festen und lockeren Gangs. Auch prangerte sie noch diese neumodische, heuchlerische Art des Umgangs zwischen den Menschen an: Nach zuvor geweckten Hoffnungen Enttäuschung zu hinterlassen. Zum Schluss pries sie sich als einen Men­schen, den er nicht so schnell wiederbekomme.

Doch half alles nichts. Sie spielte für ihn nun mal die Rolle einer Schwester. So merkte sie, dass wieder diese B e d r o h u n g kam.

Der Schein schwand; Klarheit kam: Alles schien sinnlos zu sein.

Selber schuld' dachte sie selbstironisch und da man nicht nichts...

 

Am Dienstag hätte ich Zeit gehabt

 
Ich hab, obwohl ich schon in einem solchen Alter bin, wo man eine Freundin haben sollte, keine.

Leider.

Ich weiß auch nicht warum, aber bis jetzt hat es noch mit keinem Mädchen geklappt, obwohl ich es schon einmal versucht habe.

Wirklich ist es so, dass mir schon die ein oder andere gefallen tät.

 Einmal hat mir sogar eine sehr gut gefallen.

Ich hab sie angerufen und ihr gesagt, dass sie mir gefiele und dass ich gern mit ihr gehen möchte.

"Ja", hat sie sich einverstanden erklärt. "Wir könnten uns schon mal treffen, um miteinander zu gehen". "Gut", hab ich gesagt. "Hast Du am Montagnachmittag Zeit?" "Warum nicht?", hat sie freundlich erwidert: "Am Montag können wir uns treffen und miteinander gehen!" und hat aufgelegt.

Am Sonntag bin ich dann in den Wald gegangen, um den Weg abzulaufen, auf den ich mit ihr wandeln würde.

Ich hab mir die Stellen eingeprägt, bei der ich links von ihr ginge, wo sie ansonsten hätte Gefahr laufen können, die Böschung hinunterzustürzen oder rechts von ihr, damit sie sich nicht an einem herunterhängenden Ast stieße. Jede Wurzel, die aus dem Boden ragte, habe ich mit einem weißen Stein markiert. An den Stellen, an denen wir uns ausruhen würden, hab ich unterm Gebüsch oder im Dickicht etwas zum Wegverzehr versteckt.

Als der Montag kam, ist sie dann nicht gekommen.

Ich hab einige Zeit verstreichen lassen und dann, ich glaube am Donnerstag, hab ich sie angerufen und gefragt, warum sie nicht gekommen sei, damit wir miteinandergingen.

Am Montag wäre etwas dazwischen gekommen, hat sie gesagt.

 

   Bäuerliche Liebesromanze um 1900

 

Wälder, Felder, so dass ein Dorf auftaucht, eingebettet in der braungrünen Landschaft.

Vorm Dorf fliegen Krähen auf.

Man sieht sie plötzlich in die entgegensetzte Richtung fliegen, zu den Wäldern hin, betulich, kurz davor lassen sie sich auf einem Feld nieder.

Eine Katze räubert ein Mäusenest aus, dazu kommt eine fremde: beide stehen sich katzbuckelnd und anfauchend gegenüber.

Ein Mensch erscheint, ein Hirte mit seiner Schafherde.

 

Eine Hauptstraße ist dort, auf der zwei junge Mädchen einen Karren mit Brennholz nach Hause ziehen (verdorrtes Kiefer-Kleingeäst; abgeschabte knorrige Stämme; dazwischen sperriges Geäst eines Obstbaums).

Die Wagenräder quietschen unter der Last.

 

Das Gespräch zweier Mädchen untereinander, die einen schweren Karren ziehen, ist spärlich; beide sind mit der Kraftaufbietung der Arbeit beschäftigt.

Die Mädchen ziehen an der Deichsel; und ziehen. 

Bleibt man plötzlich stehen, aufhörend, sich mit diesen zu bewegen und läßt das Gefährt an sich vorüberrollen, bis ein kleineres Mädchen auftaucht, das hinten drückt, registriert man: das Mädchen ist deutlich schwerer betucht (für die Jahreszeit zu dick schwarz gekleidet, weshalb sie hin und wieder den schweren Rock hochsäumt; trägt zudem ein Kopftuch).

Die mühselige Tätigkeit merkt man dem Mädchen an; der Zuschauer muss sich mit dem in sich gekehrten dunkelhaarigen, farblosen und mimikarmen Gesicht des Bauernmädchens lange Zeit vertraut machen.

Ihre Wangen sind rot, auch wegen der Arbeitshitze. Aber mehr aufgrund des in diesem Landstrich vorherrschenden Teints. Rosarote Streifen durchschimmern die Haut.

Sie hat einen dicken Zopf, der in den Nacken fällt.

 

Von der Ferne her hört man zwei Burschen (braune Lederhose; Jacke mit eichelförmigen Knöpfen, jedoch sehr schäbig, wenn auch nicht heruntergekommen). Sie machen einen zufriedenen Eindruck, als ob sie gerade einen Kuhhandel des Viehmarkts einer größern Stadt besucht und einen guten Verkaufsabschluss erzielt haben.

Einer spielt mit drei Kieseln in der Hand, indem er sie aneinandersausen läßt und sich an dem Ton erfreut, der den Takt eines Bauernwalzers, einer deutschen Volksweise oder eines hiesigen Tanzes nachempfindet.

Der andere schlägt sich ein paarmal freudig auf die Schenkel, jauchzt und jodelnd dazu.

Jeder beschäftigt sich eigentlich nur mit sich selber, besser je mit seinem eigenen Hochgefühl; sind also auf den Kiesel konzentriert oder selbstverliebt mit dem anhaltenden Spannen der Lederträger beschäftigt.

Sie tragen kurzgeschorene Köpfe.

 

Da sieht man wieder die Mädchen, bis es von der breiten Straße weg in einen Weg hineingeht, der zu einem großen Gehöft führt.

Plötzlich bleibt der Wagen unverrückbar stecken.

Die Burschen gewahren den im tiefen Schlamm steckenden Karren, schauen sich ausdruckslos an, gehen darauf zu. Ohne die gegebenen Umstände in Worten auszudrücken, packen sie an, indem sie den Karren heraus zuschieben versuchen.

Ein Bursche hat hinten den Platz des Mädchens eingenommen.

Das Ding ist dazu auf die Seite getreten, hat wieder, zwecks Schweißabwischens, den Rock geschürzt. Die Augenlider schlägt sie wie eine leidende Madonna schwer nieder. Der andere Bursche und die zwei Mädchen vorne versuchen, an der Deichsel den Karren herauszuschieben .

Beim Wegschieben ist der Kopf des gebückten Burschen in die Höhe gerichtet, so dass der Nacken eine einzige, dicke Querfalte zeichnet und die Stirne in Falten gelegt; dahinter ab Brüsthöhe das Mädchen auf ihn herabschauend.

Nach dem erreichten Ziel erleichtert, sich aufrichtend, schaut der Bursche selbstgenügsam lachend zu jenem Mädchen hin, das jedoch bereits den Rock fallen läßt, um sich auf den Karren zuzubewegen, ihn von hinten weiterzuschieben.

Die drei Mädchen verschwinden in Richtung Gehöft.

 

Der Kuss des Lebens

Ich war gerade in einem Kaufhaus.

Da kam ich an einem traurigen, abgemagerten und unglücklichen Mädchen vorbei.

Sie stand so verloren da, dass sie nicht zu wissen schien, wohin sie gehöre.

Sie tat mir leid.

Ich ging hin, um sie zu fragen, worin es ihr gebreche.

Sie fand aber in ihrem unglückseligen Zustand keine Worte.

Ich erbarmte mich und gab ihr den Kuß des Lebens.

So folgte sie mir nach.

In meiner Bude legte ich sie aufs Bett.

Ich küsste sie wieder, streichelte sie gar, ich gab mir wirklich Mühe, ihr zu gefallen. Doch blieb sie ungerührt, so dass ich in Wut ausbrach, schrie: "Du unbarmherziges Mädchen, du! Verschwinde sogleich aus meiner Wohnung!"

Ich lief zur Tür, öffnete sie weit.

Da sie regungslos liegenblieb, schlich ich mich an sie heran und piekste sie mit einer Nadel in den Oberschenkel.

Mit einem Mal ging ihr die Puste aus, und sie sauste aus dem Zimmer hinaus.

Diese Gummipuppe!

 

Schachmatt des Lebens

 

Oftmals hätte sie es versucht, es sich von ihrem Bruder beibringen zu lassen: Schach.

Wir stellten die Figuren auf.

Ich erklärte.

Sie verstand es auf ihr Weise: Die Bauern sind die Kinder; aber unerklärlich, weshalb die Königin kleiner als der König ist? Wo bliebe hier die Gleichberechtigung?

Zufällig stand ihr kleiner Bruder daneben.

"Schau ihn dir einmal an: Biologisch gesehen ist dein Bruder doch auch größer!"

"Ja...", gab sie mir zögernd Recht.

"Aber dennoch ist die Dame im Spiel bedeutungsvoller", fügte ich hinzu.

Dies freute sie.

Die Handlungsmöglichkeiten waren schon vielfältig, so dass sie mich doch inständig bat, ihr bei diesem kompliziertem Spiel beizustehen.

"Da Hilfen meinerseits Vorteile deinerseits sind, und niemand etwas zu seinem Nachteil tut, kann ich Dir schlecht helfen... Also frage mich nicht mehr um Rat!"

Dieser ihr Blick  ließ mir meine Haltung sofort danach ins Wanken geraten.

"Ich tu mir schon leid", sagte sie jetzt.

"Ja, du tust mir jetzt auch noch leid", erwiderte ich schon.

Da kam mir der Schachzug zu Hilfe, indem ich sie mit einem Springer unter Druck setzte: "Wäre ich in dich verliebt, verstehst du?  dann würde ich dir freilich helfen."

"Hmm", klang es entgegenkommend.

"Liebe ist eben die Ausnahme im Lebenskampf, der so unerbittlich ist", räumte ich ein.

`Je besser ich spielte, desto mehr käme sie unter Druck, so dass...', dachte ich unerbittlich.

So konzentrierte ich sämtliche mir zur Verfügung stehenden Kräfte.

Sie war jetzt fast der Verzweiflung nahe.

Durfte ich schon Liebe sagen?

  
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Deutsch-Englische Kürzestgeschichten/Short-Stories

 

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