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Oskar - ein Jugendroman

Jugendbuch "Die
                                      Eroberung"

Die Eroberung - ein Jugendbuch



Der Parasit

Der Morgen, frisch wie du, so bitter bewusst schlägt er sich aufs Gemüt nieder: nichts weit und breit als Frust. Dort, kaum vier Meter auf dem Kanal, fährt auch ein Kutter des gleichen Namens. Das Fähnchen flattert lustig im Wind: Frust, frustig, frustrierend. Der Morgen, im denkbar helligsten Sonnenschein, erglänzt dir zum schallenden Hohn; das Blitzen der Sonnenstrahlen auf den Häuserdächern bleckt: hier und dort, hierdort. Du weisst kaum, wo dir der bitterschwere Kopf steht, der zu Boden drückt; wozu du, unnützig, kein geöltes Rädchen in dieser Weltmaschine, dienen magst, Blinddarm und Kropf schlechthin? Irrwitzig und verkrampften Psychopathenminen gleich siehst du neidlos diejenigen, die von Arbeit getrieben werden, Stufen hinauf- und hinabhetzen, sich gestreckten Daumens und erhobenen Armes grüssen. Selbst die Enten, jeder Teil des ganzen Schwarmes, keines, aber auch wirklich keines muss das hässliche spielen, verfolgen ihre Nahrungsaufnahme hingebungsvoll und traut. Da sehe ich sie wieder, wovor ich am liebsten flüchtete oder mich versteckte hinter einem Toreingang, bis sie vorbeigezogen sind, sie, gleich eine ganze Meute, ein bellendes Rudel, unverkennbar grotesk an dem näselnden Akzent, Geschnattere, hektischen Sprachrhythmus, ihrem Egozentrismus und ihrer Zielstrebigkeit: ein Arbeitstrupp. Deren Verhalten, sie, die wissen, wozu sie da sind, nämlich zu werden, wie ich sein sollte - aber bitteschön! Sie marschieren an mir vorbei, in Viererreihen, Gleich- und Laufschritt und Gänsemarsch, so, als zögen sie in den Krieg, in ihr Feldlager. Aus ist's für dich, zur Wahl aufgestellt worden zu sein! Keinen Bock mehr hast du, den Tag zu verblödeln, einen Haufen Geld dabei auszugeben und bis zum Hals voll mit Bier ins Bett zu plumpsen, schlaftrunken lallend: "Das-war's-wieder-mal!" Denn du bist schon die aussterbende Art, der Dino mit überreifem Hirn ... Ich trete in die Pedale, oh wie ich in diese plötzlich gewalttätig hineintreten kann, mir die Freiheit ertrete. Am Kleinstadt-Lokal heran, Spiessrutenlauf an den Augen-Polizisten vorbei, wenn sie unter der Dorflinde sitzen, deren schwere Blätterdächer sie wie eine Schirmmütze vor Gegenblicken schützt, dessen bewusst umso unerbittlicher hervorspähen zu können. Wortfetzen fange ich auf, die diesmal nicht mir gelten, aber mich doch befreiend ankommen. Ich fange eine Ablenkung, eine wirkliche, weil eine Neuheit, das Kleinstadtgespräch schlechthin ein: Es hat sich jemand umgebracht; jemand, der tagfürtag in die Kneipe am Tresen, sogar aufmerksam vor der Zeitung sass; also auch kein Dummer, meist im Stadtgespräch Verwickelter; der mit-dabei war und mit-dazu gehörte, weil er bei der Weltmeisterschaft für die eigene National-Elf seinen Monatslohn verwettet; einer von uns, so dass festgestellt werden musste: Unsereiner hatte sich gewaltsam aus unserer Mitte gerissen; hat sich sang- und klanglos aus dem Staub gemacht, hat Tschüss gesagt, ohne sich um die Zurückgebliebenen mehr zu scheren; sich urplötzlich als Verräter entpuppt; sich so unerwartet um die Ecke gestohlen, dass es Verrat an unseren eigenen Interessen bedeutet; eine Narbe, eine klitzekleine Wunde hinterlassend ... fassungslos dies, tatsächlich. Pedale tretend gegen den steilen Abhang mit Vorstellung vom Selbstmord Unsereiners: Dum-Dum-Geschoss in dem Mund gelenkt, das zweiseitig aus einen dem der Schädel platzte, kurzer schmerzloser finiter Tod: Gratulation, Herr Kfz-Meister für Mercedes Benz-Panzerautos, bester Job-Inhaber; hat seine Entleibung berufsgerecht vollzogen, was wunder, da schon frühzeitig von den Eltern auf schnell-leistungsstarke Motoren geeicht. `Ich hätt ja auch studieren können. Aber ich hab zu meinen Eltern gesagt: ich brauch action', hört er ihn tönen am Tresen mit jemanden anderen, tönen in seiner Erinnerung. Oder: `Wer ist der reichste in unserem Ort`, eine Frage von regional eminenter Bedeutung. Aber Selbstmord? Das gönne ich euch nicht in meinem Fall, keineswegs. Lieber vegetiere ich amphibisch, fauna- und floragleich dahin, nämlich weiterhin schmarotzerisch. Schliesslich bildete dies nur einen Grund für euch, erneut ein weiterer Trinkspruch auszustossen: "Trinken wir noch einen drauf! Auf der Fahrt vom Dorf in die Grossstadt, im Zug oder im Mitfahrauto - damit fängt's zunächst an. Hier wird zuerst der kleine Unterschied mit einiger Auswirkung deutlich. Ich muss sparen. Alle müssen sparen. Ich muss besonders viel sparen. Das ist einsichtig. Obwohl ich weniger als alle habe, muss ich mehr als alle sparen. Eigentlich ein widersinniger Sinn: wie kann jemand mehr sparen, da er doch weniger hat als die anderen? Doch da ich gerade mehr ermangele als andere, habe ich einen grösseren Bedarf, etwas zu haben. Das ist die vernünftigste Logik. Denn ich will mir genausoviel anschaffen, zur Seite legen, am Luxus teilhaben wie sie. Dafür muss ich aber mehr sparen. Wie geht das, obwohl es nicht gehen kann? Das ist der berühmt-berüchtigte gordische Knoten, der mit dem Schwert entzweit wird, halte ich mich doch nicht an die Regeln der anderen - an Euere. Schliesslich habt Ihr es leichter, die Regeln einzuhalten, sind sie ja auch nicht von ungefähr von Euch für Euch aufgestellt worden. So darf ich mich einfach nicht an diese Regeln, an euere Regeln halten, muss sie unterlaufen, damit ich bei dem Weniger, das ich habe, genausoviel spare wie Ihr, die Ihr mehr habt. Das heisst, ich muss, wenn nicht intelligenter, so doch raffinierter, cleverer oder schlicht frech, hintertrieben und kaltschnäuzig sein. Und wie mache ich das? - Aber noch einen Moment bitte! Ich brauche wohl dem Leser auch die andere Seite, die Notwendigkeit zu sparen, nicht extra lang und breit darzulegen. Denn eigentlich ist es nicht das, dass ich Luxus, Amusement und Geld-zum-Fenster-hinauswerfen, Damit-ich-es-mir-recht-gut-sein-lassen-kann haben muss. Es ist vielmehr so, dass ich, je zurückgesetzter gegenüber anderen ich mich sehen muss, desto selbstbewusster, auserwählter und gezwungener empfinde, dazu, ohne Euch, die anderen, die Priviligierten, es zu etwas zu bringen, meine eigene Sache zu haben, auch in der Welt als jemand dazustehen. Ja! Vielleicht, gerade deswegen, um's Euch zu zeigen, dass ich auch in Euch einzureihen bin, nicht anders als Ihr seid?! Dem widerspricht in keinster Weise meine Missachtung und Unterlaufung Euerer Regeln, die eigentlich ungerecht sind, gemessen an meinen Möglichkeiten, die Ihr mir einräumt. Für mich unverhältnismässige Beschränkungen, die diese Regeln bedeuten, zu hintergehen, stellt mich gerade auf gleicher Stufe, bedeutet eigentlich nur die Einlösung der ausgleichenden Gerechtigkeit. Genaugenommen zwingt Ihr mich dazu! Damit beweise ich mich; dadurch lege ich Zeugnis dafür ab, dass ich genauso lebenstüchtig bin wie Ihr. Denn ich schlage Euch mit Eueren eigenen Waffen.

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